Jürgen Orwat (81) aus Wismar besuchte Ärzte und Schwestern / Karlsburger Experten implantierten einst 16 Menschen rettende Spenderherzen
„Es sieht alles so anders aus.“ Der 81-jährige Wismarer Jürgen Orwat schaut sich im Eingangsbereich des Herz- und Diabeteszentrums Karlsburg um. Er ist mit seiner Frau Beate und seinem ältesten Sohn Stefan nach vielen Jahren ins Klinikum gekommen, um sich bei Ärzten und Schwestern zu bedanken. Im Herzzentrum Karlsburg war ihm Anfang November 1999, vor fast genau 25 Jahren, ein Spenderherz implantiert und damit ein neues Leben geschenkt worden.
„Mein Mann hat auf Station IV gelegen. Dort waren alle sehr freundlich und besorgt. Wir haben dem Team so viel zu verdanken“, erzählt Beate Orwat, die ihren Mann während des Aufenthaltes in Karlsburg nahezu täglich besuchte. Nach schwerem Herzinfarkt war das Herz so stark in Mitleidenschaft gezogen worden, dass nur ein Spenderherz noch helfen konnte. Das Warten sei für ihren Mann, aber auch alle Angehörigen, sehr strapaziös gewesen. Auf dem langen Gang zur Kardiologie öffnet sich eine Tür, eine Schwester schaut überrascht: „Wir kennen uns doch. Sie müssen doch schon über 80 Jahre alt sein? Wie gut Sie aussehen.“ Jürgen Orwat lächelt über die freundliche Begrüßung. „Ja, mein Herz ist fit, ich wurde gut gepflegt“, erzählt er. Nur mit dem Rücken gäbe es ein paar Probleme, die das Laufen erschwerten.
Auf Station IV kommt Schwester Diana der Familie Orwat entgegen. Die Freude über das überraschende Wiedersehen ist groß. Spontan fällt man sich in die Arme. „Sie sind doch derjenige, der aus dem Krankenbett verschwunden ist …“, erzählt sie. „Was waren wir froh, als wir Sie fanden.“ Eine ungewöhnliche Geschichte beim Warten auf ein Spenderherz. Gern zeigt Schwester Diana, in welchem Zimmer der Herzpatient Orwat damals gelegen hat. Und sie reicht ihm die Glas-Stele, in die die Namen der Patienten eingraviert sind, die von 1998 bis ins Jahr 2000 im Klinikum Karlsburg ein Herz implantiert bekamen. Jürgen Orwat sucht seinen Namen, er ist überwältigt. Gern lässt er sich zu Erinnerungsfotos überreden.
Im Café des Mensa-Gebäudes ist der Tisch festlich gedeckt. Eine Schokotorte trägt die Zahl 25. „Diese Geburtstagsfeier könne er sich nicht entgehen lassen“, begrüßt der Ärztliche Direktor Prof. Dr. med. Wolfgang Motz die Wismarer mit Blumen. „Ich kann mich noch genau erinnern, wie Sie damals am Tresen standen und mir Mut zusprachen“, erzählt Beate Orwat. „Wenn es Ihr Team nicht gegeben hätte, würden wir heute nicht hier sein und auf 25 schöne gemeinsame Lebensjahre zurückblicken können.“ Prof. Motz bedankt sich ebenso: „Glückliche und zufriedene Patienten sind für uns Bestätigung, dass wir unsere Arbeit gut gemacht haben. Sämtliche Klinikmitarbeiter haben ihren Anteil daran und geben täglich ihr Bestes.“
Auch Herzchirurg Prof. Dr. med. Lothar Eckel umarmt seinen ehemaligen Patienten Jürgen Orwat: „Schön, dass es Ihnen so gut geht. Das freut mich riesig.“ Unter der Leitung von Prof. Eckel war Mitte der 90er Jahre das Herzzentrum Karlsburg aufgebaut worden. De fakto aus dem Nichts. Bis dahin hatte es weder Herzmediziner noch geschultes Pflegepersonal und auch keine OP-Säle in Karlsburg gegeben. „Das war eine gewaltige und reizvolle Aufgabe. Ich kam von der Unimedizin in Frankfurt am Main und fing hier bei Null an.“ Der heute 80-Jährige leitete damals auch das Transplantationsteam in Karlsburg. „25 Jahre mit einem Spenderherz zu leben – das ist außergewöhnlich“, erklärt er seinem Patienten. Gern hätte man damals in Karlsburg die Herztransplantation fortgeführt. Doch sei es aufgrund der geringen Zahl von Spenderherzen sinnvoll gewesen, diese hochkomplexen Eingriffe in Deutschland in großen Zentren zu konzentrieren. Von den 16 Menschen mit Spenderherz aus Karlsburg leben noch drei, erzählt Oberarzt Dr. Lutz Szigat, der von Anfang an als Kardiologe zum Betreuungsteam der Herztransplantierten gehörte.